Samstag, 19. April 2025
104/2025 Neue Erkenntnisse im Beruf und in der Gesellschaft
Es ist schon wieder viel zu lange her, dass ich hier schrieb. Ich gelobe mir daher echt Besserung, wieder öfter meine Gedanken hier niederzuschreiben. Manche Beiträge lasse ich zwar offline und schreibe sie nur für mich (daher manchmal auch eine andere Beitragsnummer oben), aber selbst die Offline-Beiträge ließ ich hier ziemlich schleifen.

Ich war tatsächlich zu faul, nochmal nachzuschauen, was überhaupt mein letzter Beitrag hier war, daher wiederholt sich vielleicht manches noch einmal. Aber egal, doppelt hält ja bekanntlich besser :D

Seit etwa einem Jahr hab ich ja inzwischen meinen Bachelorabschluss, auch wenn es da beim Kontrollieren und kurzfristigen Dozentenwechsel richtig viel Hin und Her gab und es daher zu vielen Komplikationen kam.
Seitem geht es beruflich tatsächlich krass bergauf. Das hat unter anderem damit was zu tun, dass ich seit letztem Sommer eine neue und tolle Leitung bekam, die riesiges Potenzial in mir sah und sieht. Das war tatsächlich etwas, womit ich nicht mehr in dieser Einrichtung gerechnet hatte und daher eigentlich schon aktiv auf neue Stellensuche war.
Unter anderem lag das daran, dass ich bis heute den Wechsel irgendwie bereue. Ich weiß nicht, ob es an der Konzeption liegt oder einfach auch am Klientelwechsel, keine Ahnung... aber im Brennpunkt war es so viel herzlicher, menschlicher und schöner mit den Kindern. Sie waren noch so richtig Kinder - herzlich, ehrlich und vor allem dankbar. Selbst diejenigen, die Unsinn gebaut haben. Da ließ es sich auf Vertrauensbasis arbeiten und da konnte ich mit vollster Leidenschaft und Herzblut Erzieherin sein. Für mich standen die Kinder dort immer an erster Stelle, noch vor meinem eigenen Befinden, und ich hätte und habe für diese Kinder echt alles gemacht und gegeben - als wäre es meine eigenen Kids. Das merkten sie auch und dementsprechend kam von ihnen und den Eltern auch so viel Dankbarkeit und Herzlichkeit zurück.
Anfang des Jahres traf ich einige meiner damaligen Schützlinge im Einkaufszentrum wieder. Sie waren da inzwischen in der sechsten Klasse und ich hatte sie 4-5 Jahre lang in der Grundschule begleitet. Wir unterhielten uns gut und sie hatten echt nochmal einen großen Sprung in den 1-2 Jahren gemacht, blickten aber noch immer positiv auf die Grundschulzeit zurück :)

In der anderen Arbeitsstätte hab ich eine zweite Klasse. Ich hab sie nicht eingeschult, aber ziemlich zügig dann in der ersten Klasse aufgrund eines Personalwechsels übernommen. Sie sind mir auch ans Herz gewachsen, aber es ist trotzdem täglich ein ziemlich nervenaufreibender Kampf. Nicht, weil ich nahezu täglich mit ihnen ins Gespräch gehen muss und sie noch große Ressourcen im harmonischer Umgang miteinander haben. Das ist gar nicht das größte Problem. Ich habe eher das Gefühl, dass ich nicht mehr so mit Herzblut dabei bin wie damals. Verrückt, denn das hätte ich nie gedacht. Ich hatte die Arbeit mit den Kindern bereits im FSJ geliebt und immer gern getan und das hatte sich durch Ausbildung, Studium und Berufspraxis wie ein roter Faden durchgezogen. Doch seit über einem Jahr ist irgendwie die Luft raus. Ich weiß nicht, ob es nur der Einrichtungswechsel und das andere Klientel ist (einfach weil die Eltern in der neuen Einrichtung in Teilen so unfassbar dreist und respektlos sind - ähnlich dann auch viele der Kids) oder ob es an sich die Rahmenbedingungen sind. In der alten Einrichtung war die Kooperation mit der Schule auf Augenhöhe und absolut herzlich. Hier haben ein Kollege und ich das Privileg, dass es mit unseren beiden Klassenlehrerinnen gut läuft, ansonsten hassen sich Schule und Hort und schieben sich gegenseitig den Schuh zu. Einfach traurig :(

Ich traf neulich die Schulsozialarbeiterin zufällig auf der Straße und wir quatschten 10 Minuten lang herzlich und vertrauensvoll, sodass ich sogar etwas zu spät zu meinem Termin kam. Aber da war einfach so viel Herzlichkeit und Interesse da, wie es dem anderen so erginge und was man jetzt tat, dass mir mein Termin in dem Moment echt egal war. Mir fehlt dieses Herzliche und Ungezwungene einfach. Es ist, als wäre ich inzwischen so krass gehemmt, was meiner eigentlichen Arbeitseinstellung und meinem Ideal überhaupt nicht entspricht...

Es ist nicht so, dass es mir gänzlich schlecht im neuen Hort geht. Verrückt, denn inzwischen bin ich dort seit der neuen Leitung und deren Vertrauen in mir stellvertretende Leitung. Ich bin dort Kinderschutzbeauftragte und sie gibt mir so viel Vertrauen und Verantwortung, sodass ich in meinem Potenzial erstmals das Gefühl habe, auf Arbeit so anerkannt zu werden. Sie hat mich wegen meines Engagements auch für ein ERASMUS-Projekt in Spanien angemeldet, wo ich dann durch Bildungsurlaub eine andere Schule besuchen kann, um mich auszutauschen. Sie durfte da eine Person aus dem Kollegium vorschlagen und hat ohne zu zögern dann mich beim Träger dafür eingetragen. Ich bin ihr für das Vertrauen und die neuen Aufgaben echt dankbar. Auch das Team ist an sich deutlich herzlicher und arbeitet komplett am Kind. Im alten Hort war es eher so, dass alle sich gegenseitig ausspielten, an ihre eigenen Vorteile dachten (während die Bedürfnisse der Kinder ganz zum Schluss erst kamen) und es dort mehrere Kleingruppen- und Lagerbildungen gab.
Da ist mein jetziges Team doch deutlich anders. Sie sind absolut harmoniebedürftig, was es für mich schwierig macht, mal mit jemandem dort in fachliche Diskussionen oder so zu gehen, weil sie einfach aufgrund ihres Harmoniebedürfnisses alles für sich behalten. Echt verrückt, der Kontrast.
Doch dafür sind die Abläufe dort sehr organisationslastig. Wir haben immer ein Walkie Talkie am Mann, auch während der pädagogischen Arbeit am Kind, was mich immens stört. Die Eltern sind zu 80% dabei, uns bzw. den Orga-Dienst stets damit zu beauftragen, ihr Kind zu suchen, weil sie zu bequem sind, selbst mal eine Treppe nach oben zu gehen, in den unteren Räumen nachzuschauen oder nach draußen auf den Hof zu gehen und selbst zu gucken. Ein Großteil kennt nicht mal die Räumlichkeiten, weil sie sich null damit beschäftigen oder sie aufgrund des Matsches nicht unseren Hof betreten wollen.
Es ist wie ein Rewe-Abholservice...sie kommen, stellen sich mit verschränkten Armen in den Eingangsbereich und erwarten dann, dass wir ihr Kind durchs Walkie Talkie ausrufen lassen oder überall suchen. Einige schaffen nicht einmal 2m bis zum ersten Raum, um eigenständig zu schauen. Das regt mich tierisch auf und ist im Team ein großer immer wiederkehrender Streitpunkt.
Dabei haben wir sogar im Eingangsbereich eine Magnettafel, in denen sich die Kinder selbstständig immer umstecken können, damit die Elternteile sie schneller finden würden. Aber trotzdem stößt man da auf so viel Respektlosigkeit und dreistes Verhalten. Ich bin ehrlich, das schaue ich mir seit 1,5 Jahren an und es wird gefühlt immer respektloser, was sich viele Eltern herausnehmen. Im anderen Hort halfen wir nie - wirklich nur, wenn jemand im Rollstuhl oder auf Krücken kam oder das Kind nach über 10 Minuten aktiver Suche nicht selbst fand. Da war das Gelände sogar noch größer als jetzt.
Schon verrückt, wie unterschiedlich das in den Einrichtungen ist und wie anders Eltern ticken können. Wären es bloß wenige Ausnahmen, würde ich das ja verkraften können, aber es sind echt so krass viele... und das Schlimme ist, wenn du nicht sofort beim Suchen hilfst, weil du zunächst im höflichen Ton auf die Magnettafel und das Konzept verweist und deine Aufsichtspflicht der anderen Kinder nachgehen musst, gibt es zig Eltern, die daraufhin dann eine Beschwerde über einen schreiben. Das ist echt so unfassbar... meine Schwester, die ebenfalls Erzieherin ist, glaubt mir das immer nicht, wenn ich davon berichte und sie merkt, wie oft das in unserer Einrichtung passiert. Für sie ist das unvorstellbar. War es für mich vorher auch, bis ich es regelmäßig in der Praxis miterlebt habe...

Einige meiner Kollegen und Kolleginnen schieben es auf Nachwirkungen von Corona, doch da ich auch in dem alten Hort während der Corona-Welle arbeitete und es dort anders war und ist, lehne ich diese Begründung oder eher "Ausrede" völlig ab. Es ist so krass, wie die Erwartungen einiger Eltern oder auch Menschen im Allgemeinen immer größer werden und wie viel jene fordern, ohne etwas dafür zu tun. Die Selbstständigkeit und Eigenverantwortung geht irgendwie immer mehr zurück, stattdessen steigt deren Frust und sie suchen die Fehler und Schuld bei anderen, um dort den Sündenbock zu finden. Das spiegelt sich irgendwie ja in der ganzen Gesellschaft wider, was man auch anhand der Wahlergebnisse und Politikverdrossenheit sieht. Speziell hier in Sachsen-Anhalt...
Ich kann nur hoffen, dass meine Motivation und Liebe zum Beruf wiederkommt, denn wenn sie weiterhin so bleibt oder sogar noch weiter sinkt, sehe ich mich leider nicht mehr lange in dem Beruf.
Richtig erschreckend, denn vor 1,5 Jahren hätte ich noch meine Hand dafür ins Feuer gelegt, dass ich mit Herzblut weiterhin als Erzieherin arbeiten werde...

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